In Goethes Werken begegnen uns an bemerkenswert vielen Stellen Fliehende, Geflüchtete, Vertriebene und Menschen, die ihre Heimat verlassen und in der Ferne einen Neuanfang wagen. Doch wie gestaltet Goethe die gesellschaftlichen Dynamiken zwischen Geflüchteten und denjenigen, die sie aufnehmen? Und welche Konfliktlösungsstrategien reflektieren seine Werke?
Neben literarischen Gestaltungen von sehr realen Fluchtbewegungen am Rhein während der Koalitionskriege rücken auch Goethes Inszenierungen einer ‚Flucht‘ vor den (politischen) Verhältnissen der eigenen Lebenswelt in den Blick. Dies gilt besonders für die imaginäre Emigration in den ‚Orientalismus‘ des West-Östlichen Divan (1819).
Dessen Eingangsgedicht zog aus dem Zustand Europas die Konsequenz: „Nord und West und Süd zersplittern, | Throne bersten, Reiche zittern: | Flüchte du, im reinen Osten | Patriarchenluft zu kosten.“ Zu diskutieren ist, inwiefern Goethes Texte gerade dort, wo sie idealisieren, zutiefst ambivalent sind – und welche Relevanz sie für gegenwärtige Debatten besitzen. Das gilt nicht zuletzt für die Frage nach dem Verhältnis von Voyeurismus und Fluchtschilderungen.
PD Dr. Charlotte Kurbjuhn
Eintritt frei
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