25.01.2023, Mittwoch, 19:00 Uhr
Vortrag von Prof. Dr. Christof Wingertszahn

Eintritt frei

Träume haben in Goethes Gesamtwerk deutliche Spuren hinterlassen. Die Forschung aber hat dieser Sphäre kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Der Hauptgrund liegt wohl in einem dem 19. Jahrhundert verpflichteten Goethebild, das die Weimarer Klassik mit einer soliden Plastizität verbindet, die mit den luftigen Phantasiegebilden des Traums nichts zu tun haben könne. Goethes literaturpolitische Invektiven gegen die Romantiker als Vertreter des Phantasiereichs scheinen seine Realitätstüchtigkeit zu bestätigen.

Sollte der Weimarer von dem dunklen Traum-Kontinent, den die Literatur immer wieder fasziniert erkundet hat, unberührt geblieben sein? In der Tat wurde auch Goethe vor allem in jungen Jahren von der "Traum- und Zaubersphäre" angezogen, die in den Walpurgisnachtsträumen des "Faust" deutliche Spuren hinterlassen hat. Viel Tiefenpsychologisches ist von ihm verstanden worden als Fonds bewussten Handelns, wie seine frühen Traumberichte erkennen lassen. Traum-Motive erscheinen vor allem in den Gedichten des jungen Goethe und in Briefen an seine Freunde und an die verehrte Charlotte von Stein. Auf den sogenannten "Fasanen-Traum" aus dem Jahr 1785 kommt Goethe mehrfach in seinen Äußerungen zurück; er dient als eines seiner Lebenssymbole. In der "Italienischen Reise" charakterisiert er ihn als eines der "Wahnbilder", an denen wir uns ergötzten, "die, weil sie aus uns selbst entspringen, wohl Analogie mit unserm übrigen Leben und Schicksalen haben müssen".

Der Vortrag widmet sich Goethes Beziehung zu Träumen. Sie stellen für den Autor ein wichtiges Reservoir für seine Dichtung dar, obwohl er diskursiv kaum Stellung zu ihnen nimmt. Die Verleugnung des Traums – "so Gold er auch ist" – hat Methode für eine Lebenspraxis, die ganz der Einhegung des Gefährlichen und schwer Kontrollierbaren folgt.


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