Eintritt frei
Literatur und Musik sind in der Romantik eine enge Verbindung eingegangen. Zahllos sind die reisenden Sänger und Dichter in der Prosa der Romantik, eng die Verbindungen zwischen den Schriftstellern und den Komponisten (Johann Friedrich Reichardt, E.T.A. Hoffmann, Robert Schumann). Die romantische Musikästhetik wurde lange vor der heute als „Romantik“ klassifizierten Musik (etwa Robert Schumanns) von Literaten wie Friedrich Schlegel, Novalis, Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck erfunden. In ihr wurde die Instrumentalmusik (Symphonie) der Wiener Klassik in einer folgenreichen Definition als Muster absoluter Musik verortet. Auch für romantische Lieder fordert Tieck die Ablösung der poetischen Sprache von der Bedeutung, Brentano und Eichendorff schreiben assoziativ von Laut, Reim und Rhythmus bestimmte Gedichte. Auf einer praktischen Ebene entwirft Achim von Arnim eine enthusiastische Theorie des Volkslieds (Von Volksliedern) und stellt mit Brentano einen Kanon „alter deutscher Lieder“ in Des Knaben Wunderhorn vor.
Das Thema hat vielfältige Aspekte hinsichtlich Ästhetik, Poetik, Biographie und Rezeption. Romantische Sprachspiele orientieren sich am Ideal der Musik als eines nichtmimetischen Mediums, das ohne die Bedeutungszuweisungen konventioneller Schrift auskommt. Novalis fordert, die Sprache solle „wieder Gesang werden“. Das Lied, das romantische Gedicht par excellence, lebt von seiner musikalisch-klanglichen Dimension. Eine Generation später als die Frühromantiker komponieren Franz Schubert, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Robert Schumann ihre Lieder, die heute als Muster der Gattung gelten.
Musik dient nicht nur als semiotische Orientierung, sondern als Modell einer romantischen Lebenslehre und wird auch übersteigert in die Metaphysik und Kunstreligion. Tieck bezeichnet die „Tonkunst als das letzte Geheimniß des Glaubens, die Mystik, die durchaus geoffenbarte Religion“ (Symphonien). Für Wackenroder ist das „Land der Musik“ ein Terrain, „wo alle unsre Zweifel und unsre Leiden sich in ein tönendes Meer verlieren, – wo wir alles Gekrächze der Menschen vergessen, wo kein Wort- und Sprachengeschnatter, kein Gewirr von Buchstaben und monströser Hieroglyphenschrift uns schwindlig macht, sondern alle Angst unsers Herzens durch leise Berührung auf einmal geheilt wird“ (Die Wunder der Tonkunst).
Heilung ist nötig, denn die beschworene Harmonie muss in einer von „unruhiger Geschäftigkeit“ geplagten Alltagswelt hergestellt werden. Bei Wackenroder und bei E.T.A. Hoffmann gerät das dissonante Leben der Tonkünstler in den Blick (die Kapellmeister Berglinger und Kreisler), die sich mit den Erfordernissen des täglichen Lebens auseinandersetzen müssen. Sie torpedieren die romantische Überlegung „dein ganzes Leben muß eine Musik sein“ (Berglinger).
Musik ist nicht nur formal und motivisch strukturbildend für romantische Texte, sondern hatte auch einen Halt im wirklichen Leben. Arnim wie Brentano lernten Gitarre, um ihre „Wunderhorn“-Lieder vorzutragen. Bettina Brentano/Arnim studierte Musiktheorie und komponierte beachtliche Lieder. In Anlehnung an Musikstücke schrieben Brentano und E.T.A. Hoffmann berühmte Essays und Gedichte, und ein besonderes Kapitel bildet die Beethoven-Verehrung der Brentanos und Hoffmanns. Beethovens Musik erweckt nach letzterem „jene unendliche Sehnsucht, welche das Wesen der Romantik ist“ (1810). Umgekehrt orientieren sich romantische Komponisten an der Literatur; das berühmteste Beispiel ist das Doppeltalent Robert Schumann. Und schließlich grundiert erlebte Musik in Konzerten und Opernaufführungen die literarische Romantik.
Programm
Donnerstag, 20. Juli 2023
18.00 Uhr
Begrüßung und Eröffnung des Kolloquiums
Prof. Dr. Christof Wingertszahn, Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf
Prof. Dr. Roswitha Burwick, Vizepräsidentin der Internationalen Arnim-Gesellschaft
18.30 Uhr
Kammerkonzert: Musik der Romantik
Alica Koyama Müller, Piano
Lukas Plag, Violoncello
Freitag, 21. Juli 2023
I. Die Musik in der literarischen Romantik
Moderation: Prof. Dr. Barbara Becker-Cantarino, Ohio State University, USA
9.00–9.40 Uhr
Prof. Dr. Roswitha Burwick, Scripps College, Claremont CA
„Nach seiner Pfeife tanzen“. Musik im Märchen der Romantik
9.40–10.20 Uhr
Prof. Dr. Konrad Feilchenfeldt, LMU München
Der musizierende Einzelgänger. Eine nachhaltige Erfindung der Romantik und ihre Abstraktionen
10.20-10.40 Uhr Kaffeepause
10.40–11.20 Uhr (Vortragszeit geändert!)
Prof. Dr. Olaf L. Müller, Humboldt-Universität zu Berlin
„Göthe hat ein Lied gemacht, das niemand wissen soll“. Über Johann Ritters Ader für Volkslieder und Achim von Arnims Ader für Physik
11.20–12.00 Uhr
Prof. Dr. Christof Wingertszahn, Goethe-Museum Düsseldorf
Metamorphosen der Musik in der Großstadt. Die Tonkunst in Arnims Erzählung „Metamorphosen der Gesellschaft“
12.00–14.00 Uhr Mittagspause
II. Musikalische Kompositionen
Moderation: Prof. Dr. Christof Wingertszahn
14.00–14.40 Uhr
Dr. Julia Ronge, Beethoven-Haus Bonn
Beethoven – Klassiker mit romantischem Geist?
14.40–15.20 Uhr
Dr. Markus Schwering, Köln
E. T. A. Hoffmann als Komponist
15.20–15.40 Uhr Kaffeepause
15.40–16.20 Uhr
Dr. Hans Dierkes, Niederkassel
Auf der Suche nach den Anfängen. Johann Wilhelm Schneider als früher Produzent romantischer Gesangskompositionen
19.00 Uhr Abendvortrag
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt, Universität Heidelberg
Die Anfänge der Romantik in der Musik
Samstag, 22. Juli 2023
III. Musikalische Poetik
Moderation: Ass. Prof. Dr. Christopher Burwick, Loyola
9.00–9.40 Uhr
Prof. Dr. Barbara Becker-Cantarino, Ohio State University, USA
Zum Volkslied der Romantik: Therese von Jacob-Robinsons „Volkslieder der Serben. Metrisch übersetzt und historisch eingeleitet von Talvj“
9.40–10.20 Uhr (Vortragszeit geändert!)
Assoc. Prof. Dr. Jan Oliver Jost-Fritz, East Tennessee State University
Musikalität und Sprache
10.20–10.40 Uhr Kaffeepause
Moderation: Prof. Dr. Stefan Nienhaus, Universität Salerno, Italien
10.40–11.20 Uhr
Dr. Irmgard Knechtges-Obrecht, Aachen
„Hüte dich, sei wach und munter!“ Der Wald bei Robert Schumann dargestellt an den „Waldszenen“, op. 82
11.20–12.00 Uhr
Ursula Reichert, Wiesbaden
Mendelssohns „Lieder im Freien zu singen“
Sonntag, 23. Juli 2023
IV. Inszenierung und Performanz
Moderation: Prof. Dr. Sheila Dickson, University of Glasgow, GB
9.00–9.40 Uhr
Prof. Dr. Roger Paulin, University of Cambridge, GB
Mittelalter als Musik und Tanz
9.40–10.20 Uhr
Dr. Renate Moering, ehemals Freies Deutsches Hochstift Frankfurt am Main
„die eigentümliche Schallzurückwerfung“. Lieder Arnims unter dem Einfluss von Melodien
10.20–10.40 Uhr Kaffeepause
10.40–11.20 Uhr
Dr. Antje Arnold, Universität zu Köln
„ungefähr solchen Inhalts“ – Inszenierung von Musik in Achim von Arnims Erzählungen
Ausführliche Informationen zur Internationalen-Arnim-Gesellschaft e.V. sind im Internet abrufbar unter: http://arnim-gesellschaft.phil-fak.uni-koeln.de/.
Kontakt zur Internationalen Arnim-Gesellschaft
über den Präsidenten der Gesellschaft:
Prof. Dr. Christof Wingertszahn
Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung
Schloss Jägerhof
Jacobistr. 2, 40211 Düsseldorf
Tel. 0211 899–2393
E-Mail: christof [dot] wingertszahn [at] duesseldorf [dot] de
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